Wer auf der zweitgrößten italienischen Mittelmeerinsel landet, merkt schnell, dass es noch mehr Inseln und Inselgruppen vor Sardinien gibt. Die größeren wie La Maddalena, Tavolara und Sant‘Antioco sind bewohnt, die kleineren wie Spargi, Razzoli und Mal di Ventre nicht. Sie sind so etwas wie Zufluchtsorte. Abgeschieden und abgegrenzt und nur mit einem höheren Aufwand zum Beispiel per Fähre oder Ausflugsboot zu erreichen. Gerade das macht ihren Reiz aus.

La-Maddalena-Archipel vor der Nordostküste: Vielen durch den Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi bekannt

Zu den bekanntesten Inseln und Inselgruppen vor Sardinien gehört der La Maddalena Archipel mit seinen 62 größtenteils unbewohnten Eilanden. Viele der aus dem azurblauen Wasser ragenden Granitfelsen sehen aus, als hätte kein Mensch sie je betreten. Sie bezaubern mit staubfeinem weißem Sand, dahinter Zistrosen, immergrüne Mastix– und Wacholdersträucher. Unter Wasser schwimmen Zackenbarschen und Meerbarben, mit etwas Glück begegnen einem sogar Delfine, Finnwale und bis zu zehn Meter lange Riesenhaie. Der Archipel vor der Nordostküste Sardiniens wurde 1994 zum Nationalpark erklärt. Das geschützte Gebiet erstreckt sich über eine Fläche von circa 18.000 Hektar, davon sind mehr als 60 Prozent Wasser, von der Isola La Presa im Norden bis an die Ostküste der Insel Mortorio. Zu den beliebtesten Reisezielen gehört dort zweifellos die größte, ganzjährig bewohnten Insel La Maddalena, die von Palau aus mit der Fähre zu erreichen ist. Das charmante Hafenstädtchen lockt mit engen Gassen, steilen Treppen und stilvollen Cafés. Als militärisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum an der Meerenge zwischen Sardinien und dem französischen Korsika sind mit La Maddalena auch berühmte Namen verbunden: 1793 versuchte Napoleon Bonaparte die Insel zu erobern, 1804 kundschafte der britische Admiral Horatio Lord Nelson vom Eiland die französische Mittelmeerflotte aus. Direkt nebenan liegt die, über eine Brücke mit der Hauptinsel verbundene, Isola Caprera, auf der sich der italienische Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi bis zu seinem Tod im Juni 1882 niederließ. Zur Saison bieten zahlreiche Ausflugsboote Tagestouren durch den La Maddalena Archipel an. Die meisten stechen von Mai bis September Tag für Tag mit Besuchern in See und laufen Inseljuwelen wie Santo Stefano, Spargi, Razzoli, Santa Maria und Budelli an.

Asinara vor der Nordwestküste: Ehemalige Sträflingsinsel mit den weißen Eseln

Rund 51 Quadratmeter groß und vor der Nordwestspitze Sardiniens: Die Isola di Asinara war bis 1997 die Insel der Strafgefangenen und Zuchthäusler. Mit Kasernen, Schlafgebäuden, Villen, Werkstätten, Ställen und einem Krankenhaus. Heute ist die Natur der größte Schatz der Insel, denn die lockt Besucher an. Diese setzen größtenteils zur Saison mit Fähren und Ausflugsbooten ab Stintino oder Porto Torres auf das Eiland über. Den Rest des Jahres ist Asinara meist menschenleer. Durch die niedrige Macchia streunen dann nur Kühe, Wildpferdchen, Wildschweine, Mufflons und ein paar weiße Esel, die unter Albinismus leiden. Die als Naturpark ausgewiesene Insel umfasst die verlassenen Gebäude von zwei Vollzugsanstalten, dazu zerklüftete Küsten, feinsandige, helle Strände und eine Schildkröten-Klinik. Wer den einstigen Hauptkomplex des Straflagers und das Hochsicherheitsgefängnis sehen möchte, ist in der Cala d’Oliva und in der Außenstelle Fornelli richtig. Wer lieber baden oder das Eiland überblicken möchte, begibt sich am besten zur Badebucht Cala Sabina und auf die 408 Meter hohe Landspitze Punta della Scomunica. Der Blick vom höchsten Punkt der Insel auf die langgezogene und zackenförmige Silhouette von Asinara ist atemberaubend schön.

Mal di Ventre vor der Westküste: Ein Felsfleck im Azurblau des Mittelmeeres

Die etwa 90 Hektar große Isola di Mal di Ventre vor der Sinis-Halbinsel gehört zum Schutzgebiet Area Marina Protetta Penisola del Sinis. Wer in knapp 30 Minuten von Putzu Idu oder Mari Ermi mit einem Ausflugsboot übersetzt, der fühlt sich plötzlich ganz weit weg. Es gibt keine Häuser und keine Bewohner. Nur ein paar niedrige Macchia-Sträucher gedeihen auf dem Inselchen, ebenso wie unzählige Kaninchen sowie Korallenmöven, Sturmtaucher und Kormorane. Sonst gibt es nicht viel auf dem flachen Eiland. Besucher können den rund 3 Kilometer langen und 1 Kilometer breiten Felsfleck zu Fuß umrunden. Während die Westseite rau und felsig ist, finden sich an der Ostküste mehrere traumhafte Buchten, wo die Wellen sanft an den feinsandigen Strand rollen. Wer das Eiland besucht, der muss sich an die gültigen Regeln für Schutzgebiete halten. Auf der Insel darf kein Müll hinterlassen werden, keinesfalls dürfen Zigarettenstummel weggeworfen werden und auch das Sammeln bzw. Mitnehmen von Steinen, Sand und Muscheln ist untersagt. 2008 geriet das Eiland verstärkt in den Fokus, als der Aktivist der sardischen Unabhängigkeitspartei Salvatore Meloni ebenda die Landesflagge seines selbsternannten Staates Repubblica di Malu Entu gehisst hatte. Die Regionalregierung stufte die Okkupation allerdings als Umweltgefährdung ein und machte der Republik nach nur fünf Monaten ein schnelles Ende.

Sulcis-Archipel vor der Südwestküste: Schmelztiegel der Kulturen

Auch an der Südwestküste gibt es Inseln und Inselgruppen vor Sardinien. Namensgeber für den Sulcis-Archipel ist die historische Region des Sulcis-Iglesiente, die bis Mitte der 1980er für den Berg- und Kohleabbau bekannt war. Von den etwa acht Eilanden sind nur drei bewohnt: Die Hauptinsel Sant’Antioco, die Isola di San Pietro und die Isola Piana. Die 109 Quadratmeter große Isola di Sant‘Antioco und die 51 Quadratmeter große Insel San Pietro bestechen durch märchenhafte Steilküsten, wildromantische Strände, natürliche Badebecken und atemberaubende Sonnenuntergänge. Seit jeher haben die beiden Eilande Fremde angezogen. Darunter Phönizier, Punier, Römer und im 18. Jahrhundert auch ligurische Fischer, die jahrelang im Korallenhandel auf der Insel Tabarka (Tunesien) tätig waren, sowie Familien aus dem Piemont, denen der Weinanbau auf Sant‘Antioco zu verdanken ist. Afrikanische, Genuesische und Piemonteser Einflüsse haben hier für ein besonderes Dialekt und ganz neue kulinarische Genüsse gesorgt. Bis heute gehören das Cascà alla Tabarchina und die Linguine al Pesto zu den wichtigsten Spezialitäten. Die unter Carlo Emanuele III gegründeten und als Reißbrett-Städte entworfenen Orte Calasetta (auf Sant’Antioco) und Carloforte (auf der Isola di San Pietro) wirken wie eine Riviera-Idylle – eine kleine Kopie des großen Bruders auf der Apennin-Halbinsel. Die winzigen historischen Stadtkerne mit den Rathäusern, den Pfarrkirchen, den engen Gassen und den schönen Plätzen sind einen Besuch wert. Doch die beiden Eilande bieten noch mehr. In Sant’Antioco kann man zudem Katakomben, eine punische Nekropole, ein phönizisches Tophet und ein Muschelseide-Museum bestaunen.

Tavolara vor der Nordostküste: Angeblich, so erzählt man, das kleinste Königreich Europas

Die knapp sechs Quadratkilometer große Insel Tavolara ist bis auf wenige Einwohner unbewohnt. Sie hat feine Sandstrände, einen schönen Wanderweg und eine Herde wilder Ziegen. Aus der Ferne betrachtet wirkt sie wie ein Fischsaurier aus der Uhrzeit. Tavolara gehört zur Area Marina Protetta di Tavolara Punta Coda Cavallo, einem rund 15.000 Hektar großen Wasserschutzgebiet, das zu den schönsten von Sardinien gehört. Doch Tavolara ist anders. Denn hier soll das kleinste Königreich Europas liegen. Der erste Bewohner auf Tavolara war Giuseppe Bertoleoni. Im Jahr 1836 soll Karl Albert, der König von Sardinien-Piemont, den Entdecker zum König von Tavolara gekürt haben. Ob die Geschichte wahr ist? Offiziell anerkannt haben Italien und andere Staaten das Königreich nicht. Hier geht es zum Tavolara-Beitrag.

Info

Die unbewohnten Inseln und Inselgruppen vor Sardinien werden im Sommer von Ausflugsbooten angeschippert. Die Ausflüge dauern in der Regel einen ganzen Tag. Da auf den unbewohnten Inseln keine Serviceeinrichtungen vorhanden sind, empfiehlt es sich Sonnenschirme und Verpflegung mitzubringen.

Asinara: Wer die Inselidylle erleben möchte, kann an geführten Ausflügen teilnehmen oder das Eiland selbstständig zu Fuß oder per Rad erkunden. Vom Hafen in Porto Torres setzen täglich Fähren nach Asinara über. Fahrplan und Preise unter www.delcomar.it. Ab dem kleinen Anlegeplatz Marina di Stintino gelangt man mit dem Motorboot auf die Insel.

La Maddalena Archipel: Der Nationalpark ist per Fähre ab Palau zu erreichen. Fahrplan und Preise unter www.delcomar.it. Zur Saison werden ab Palau, Santa Teresa di Gallura und Cannigione Bootstouren in den Nationalpark angeboten.

Tavolara: Zur Hochsaison fährt ein Zubringerschiff ab Porto San Paolo mehrmals täglich auf die Insel. Wenn in der Niedrigsaison unter der Woche wenig los ist, fährt das Schiff nur am Wochenende. Fahrplan und Preise unter www.tavolaratraghetti.it.

Sulcis-Archipel: Die Isola di Sant’Antioco ist von Sardinien über einen Damm erreichbar. Auf die Isola di San Pietro gelangt man mit der Fähre ab Portovesme oder Calasetta. Fahrplan und Preise unter www.delcomar.it.