Die Nuraghen zählen zu den gewaltigsten Bauwerken Sardiniens und inzwischen ist klar: Diese Konstruktionen gibt es nur hier. Die Insel muss für die Menschen der Jungstein- und Bronzezeit offenbar eine besondere Bedeutung gehabt haben. Über Jahrhunderte errichteten sie hier riesige Rundtürme, von denen einige mehr als 20 Meter in den Himmel ragten. Bis heute rätseln die Archäologen, wozu die Nuraghen ursprünglich dienten.
Die Nuraghen: Faszination antiker Kulturen
Meterdicke Wände aus Stein, Deckenkonstruktion mit kreisförmiger Verjüngung, Nischen und Ecktürme: Auf Sardinien blühte in der Bronzezeit eine Hochkultur. Die kaum bekannte Nuraghen-Kultur brachte auf der Insel riesige, kreisrunde Türme hervor, von denen bisher etwa 7000 Stück gefunden wurden. Archäologen und Forscher vermuten aber, dass es bis zu 10.000 sind.
Als die ersten Ausgräber vor etwa 500 Jahren auf die weit über die Insel verstreuten Überreste der 3500 Jahre alten Nuraghen-Kultur stießen, waren sie beeindruckt von der Großartigkeit der bronzezeitlichen Bauwerke. In den darauffolgenden Jahrhunderten förderten weitere Grabungen immer mehr Spuren einer Vergangenheit zutage, die in der Archäologie ohne Beispiel ist.
Im Vordergrund stand und steht bis heute die Frage, wie baute man die Rundtürme und wozu dienten sie überhaupt? Grabmahle sardischer Herrscher, wie im 16. Jahrhundert von Giovanni Francesco Fara angenommen, so scheint es, waren es nicht. Warum also wurden die Nuraghen, dessen bauliche Vielfalt von den Proto– oder Korridor-Nuraghen über die klassischen Tholos-Nuraghen bis hin zu den komplexen Nuraghen-Dörfern reicht, gebaut?
Wer dem Nuraghen „Su Nuraxi“ bei Barumini einen Besuch abstattet, erkennt sofort, was für eine ungeheuerliche Leistung die bronzezeitlichen Handwerker fertig gebracht haben. Ohne Mörtel, nur mit tonnenschweren Steinbrocken schichteten die Arbeiter hier eine Art Rundturm, vier Ecktürme und einen Mauerring auf. Warum taten sie es? Bisher gibt es keine Antwort, denn „Su Nuraxi“ und alle anderen bisher gefundenen Nuraghen sind noch heute mit Rätseln umgeben. Es gibt die Ansicht, dass sie militärischen Zwecken und der Verteidigung gedient haben sollen. Eine weitere Hypothese stellt die Vermutung auf, dass die Rundtürme eine soziale oder religiöse Nutzung hatten, etwa als Platz für Versammlungen, Übergangs– und Initiationsrituale oder bestimmte Feste im Jahreskreis. Andere behaupten, dass einige der Bauten als Sonnen– bzw. Sternenkalender gedient haben sollen.
Dass die Gerüchte so gedeihen konnten, liegt daran, dass die Sarden der Bronzezeit noch keine Schrift kannten und keine deutlichen Hinweise auf den Verwendungszweck der Rundtürme hinterlassen haben. Aufgrund dessen grassieren die Spekulationen um die Bestimmung der Nuraghen munter weiter und ihre Bautechnik bleibt geheimnisumwoben – was ihrem Reiz aber keinen Abbruch tut.
Mehr Informationen zu „Su Nuraxi“ bei Barumini und „Santu Antine“ bei Torralba gibt es unter www.fondazionebarumini.it und www.nuraghesantuantine.it. Hier findet ihr hingegen Informationen zu „Palmavera“ bei Alghero.